Modulare Montage: „Wir flexibilisieren die Fließbandarbeit und werten sie auf“
- Audi testet Modulare Montage für den Serieneinsatz
- Neues Montage- und Logistikkonzept steigert Flexibilität und Effizienz
- Studie von acatech bestätigt Vorreiterrolle von Audi
Zahlreiche Derivate und Individualisierungsmöglichkeiten steigern die Varianz von Bauteilen und Prozessen am Fließband. Im Interview erklären Projektleiter Wolfgang Kern sowie Josef Weinzierl, Leiter innerhalb der Montageplanung, warum die Modulare Montage bei einer kundenindividuellen Serienproduktion an manchen Stellen flexibler und effizienter als das Fließband ist.
Warum haben Sie die Modulare Montage als zusätzliches Fertigungskonzept entwickelt?
Wolfgang Kern: Immer dort, wo wir viel Varianz und eine gewisse Dynamik haben, stößt das starre Fließbandsystem an Grenzen oder erzeugt zusätzlichen Aufwand. Diese externe Komplexität müssen wir in unseren internen Abläufen abbilden können. Die Modulare Montage steuert sich selbst und kann somit dynamisch auf die steigenden Flexibilitätsanforderungen reagieren. Heute haben wir durch die Verkettung von Band und Takt immer Wechselwirkungen. Wenn wir an einer Stelle etwas verändern, wirkt sich das auf andere Bereiche am Band aus. Indem wir in der Modularen Montage entkoppeln, können wir Änderungen viel einfacher und vor allem gezielter vornehmen. Neue Produktvarianten lassen sich so schneller integrieren.
Josef Weinzierl: Die Modulare Montage ist kein Selbstzweck und auch nicht das eine, überlegene System. Sie verbreitert aber die Klaviatur, mit der wir in der Fahrzeugmontage auf die Anforderungen der Zukunft reagieren können. Das Fließband wird es auch in Zukunft geben. Aber es wird speziell in den Vormontagen immer mehr an seine Grenzen stoßen. Und deshalb brauchen wir in der Linie immer komplexere Lösungen für die daraus entstehenden Anforderungen. Es geht also um die Ergänzung eines gesamtproduktiven Montagesystems. Das bringt uns ein großes Plus an Flexibilität – eines der zentralen Ziele unserer neuen Produktionsstrategie.
Was ist neu an diesem Montage- und Logistikkonzept?
Josef Weinzierl: Die Modulare Montage ist kein physisches, sondern eher ein virtuelles Fließband, auf dem das Produkt verschiedene Wege während der Fertigung nehmen kann.
Vor welchen Herausforderungen steht die Modulare Montage in der Serienfertigung?
Wolfgang Kern: Diese neue Organisationsform hat zwar ein großes Potenzial, erfordert aber auch ein Umdenken in den Prozessen, die wir über Jahre etabliert und optimiert haben. Zudem ist eine entsprechende Steuerungssoftware nötig. Sie muss die Stabilitätskriterien und die Industrietauglichkeit dauerhaft erfüllen. Außerdem müssen wir die heutigen betriebsinternen Abläufe und Regelungen auf das neue Konzept übertragen.
Welche Vorteile haben die Mitarbeitenden von der Modularen Montage?
Wolfgang Kern: Dank der entkoppelten Stationen lässt sich die Fertigung leichter an die Mitarbeitenden anpassen. Das gilt für die Phase der Qualifizierung, im laufenden Betrieb und speziell auch für eingeschränkte Mitarbeitende. Insgesamt werten wir die klassische Produktionsarbeit auf und flexibilisieren sie. Die Kleinteiligkeit der heutigen Fließbandaustaktung heben wir ein Stück weit auf. Wir können komplette Umfänge in einer Station verbauen und erreichen so eine ganzheitliche Montageaufgabe. Zudem können wir sowohl die Arbeitsplätze als auch die Vorgabezeiten individuell anpassen. So lässt sich der Arbeitsplatz zum Beispiel auf die jeweilige Körpergröße einstellen. Gleichzeitig kann die zur Verfügung stehende Zeit entsprechend den Einschränkungen eines Mitarbeitenden verlängert werden. Auch durch die Fahrerlosen Transportsysteme haben wir ergonomische Vorteile.
Josef Weinzierl: Mit der Modularen Montage haben wir eine gute Chance, den Arbeitsplatz in einer einzelnen Station mehr als heute zu individualisieren. Kleinteilige Montageumfänge müssen nicht notwendigerweise auf mehrere Mitarbeitende verteilt werden. Dies reduziert wiederum den Qualifizierungsbedarf und verhindert, dass in engen Bauräumen zwei Personen parallel arbeiten und sich zeitlich abstimmen müssen.
Ist die Modulare Montage wirtschaftlicher als eine reine Fließbandproduktion?
Wolfgang Kern: Sie ist wirtschaftlicher, wenn wir eine Antwort auf eine hohe Varianz und Dynamik brauchen. Wir können Montageumfänge komplett in einer Station umsetzen. Außerdem optimieren wir mit diesem Konzept Montage und Logistik ganzheitlich, indem wir die Logistik in den modularen Aufbau integrieren.
Welche Bedeutung hat das Ware-zu-Person-Prinzip für die Modulare Montage?
Wolfgang Kern: Eine fundamentale. Dort, wo wir eine hohe Bauteilvarianz haben, reichen die klassischen Methoden, Material bereitzustellen, nicht mehr aus. Innerhalb des flexiblen Montagekonzepts ist die exakte Reihenfolge der Produkte nicht mehrere Tage im Voraus festgelegt, sondern ergibt sich relativ kurzfristig. Es ist also nötig, den Logistikprozess weiter zu automatisieren, was zugleich hohe Einsparungspotenziale bietet.
Gibt es für die Modulare Montage Vorbilder?
Wolfgang Kern: Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) beschäftigen sich inzwischen zahlreiche Unternehmen in verschiedenen Branchen mit diesem Thema. Unser Pilotprojekt in der Türvormontage ist eines der dort genannten Best-Practice-Beispiele und gilt als führend im Automobilbau.
Was folgt nach dem Piloten?
Josef Weinzierl: Wir sind dabei, das Konzept serienreif zu machen, indem wir Kennzahlen aus der Serienfertigung anlegen. Mit dem Pilotprojekt führen wir den Nachweis, dass die Modulare Montage den Anforderungen bezüglich der Stabilität, der Tauglichkeit für unsere Mitarbeitenden und der Verfügbarkeit in der Serienfertigung gerecht wird. Parallel suchen wir in anstehenden Neufahrzeugprojekten Anwendungsfelder, in denen wir unser System rentabel einsetzen können. Der Schritt in die Serie muss sehr gut überlegt sein, denn einen Weg zurück gibt es dann nicht mehr.
Wann wird es so weit sein?
Josef Weinzierl: Wir können ab 2025 in einer Vormontage eines neuen Fahrzeugprojekts in Serie gehen.
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