Warum wir unsere Fahrzeuge jetzt mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G vernetzen
- 5G und C-V2X für Entertainment und mehr Verkehrssicherheit
- Technische Grundlage für viele zukünftige Anwendungen
- Weltweite Forschung zum vernetzten Fahren
Erstmals geht Audi mit 5G-Mobilfunk in Serie. Was bietet die Technologie in Kombination mit dem Funkstandard C-V2X? Welche Anwendungen lassen sich jetzt und in Zukunft mit den Technologien umsetzen? Und wie arbeitet Audi weltweit an der ständigen Verbesserung der Verkehrssicherheit? Antworten liefert dieser TechFocus.
Wann und wo setzt Audi 5G und C-V2X ein?
Audi liefert in Kürze den A7 L und A6 L sowie nachfolgend viele weitere Modelle für den chinesischen Markt mit einem neuen Funkmodul aus, das sowohl den 5G-Mobilfunk als auch die C-V2X-Technologie unterstützt. Weitere Märkte folgen voraussichtlich 2023.
Wie kommunizieren Fahrzeuge per C-V2X?
C-V2X steht für „Cellular Vehicle to Everything“ und bezeichnet die Vernetzung eines Fahrzeugs mit seiner Umgebung. Das sind andere Verkehrsteilnehmer_innen, aber auch vernetzte Infrastruktur wie Ampeln, Verkehrs- und Baustellenschilder, vernetzte Parkplätze und Verkehrsleitsysteme.
Der C-V2X-Funk basiert auf Mobilfunktechnologie und bietet zwei Wege der Kommunikation.
C-V2X Direct Communications bezeichnet die direkte, lokale Vernetzung des Fahrzeugs mit seiner Umgebung. Die Übertragung erfolgt im weltweit harmonisierten 5,9-GHz-ITS-Frequenzband und ist nicht auf das Mobilfunknetz angewiesen.
Bei C-V2X Network Communications nutzt das Funkmodul das Mobilfunknetz, um beispielsweise den Übertragungsradius zu erweitern für Telematik oder Infotainment. Die Audi Modelle A7 L und A6 L nutzen beide Arten der C-V2X-Übertragung. Erstmals sendet und empfängt das Modul in China nun auch Daten über ein 5G-Netz.
Welche Vorteile bietet 5G gegenüber den bisherigen Mobilfunkstandards?
Der 5G-Standard wurde Ende 2018 vom 3rd Generation Partnership Project (3GPP) spezifiziert. Als Weiterentwicklung des 4G/LTE-Mobilfunks zielt die fünfte Mobilfunk-Generation 5G vor allem auf die extrem anspruchsvolle Vernetzung in der Industrie ab. Die International Telecommunication Union (ITU) hat drei Anwendungsprofile für 5G festgelegt:
Ultra-Reliable and Low-Latency Communications (uRLLC) erfordert hohe Zuverlässigkeit und niedrige Latenz mit Reaktionszeiten von wenigen Millisekunden für besonders zeitkritische Anwendungen wie sicherheitsrelevante Warnungen und automatisiertes Fahren (zum Vergleich 4G: > 20 ms).
Massive Machine Type Communications (mMTC)garantiert die zuverlässige Vernetzung von bis zu einer Million Geräten pro Quadratkilometer, wichtig etwa für die sichere Kommunikation von Verkehrsteilnehmer_innen und der Infrastruktur in Ballungszentren (4G: 100.000/km2).
Enhanced Mobile Broadband (eMBB) liefert unter Idealbedingungen extrem hohe Datenraten mit Geschwindigkeiten von bis zu 20 Gbit/s im Download bzw. 10 Gbit/s im Upload für datenintensive Anwendungen wie Infotainment oder Streaming (4G: 1 Gbit/s Download bzw. 500 Mbit/s Upload).
Wie profitieren Autofahrer_innen von 5G?
Als Nachfolger von 4G/LTE optimiert 5G gleich drei Anwendungsbereiche.
Mehr Sicherheit beim Fahren: Dank uRLLC lassen sich mit 5G extrem zeitkritische Anwendungen umsetzen, zum Beispiel Warnungen in Gefahrensituationen wie Unfällen und Notbremsungen.
Umfangreichere Vernetzung: Autos und Motorräder, Ampeln und Straßenschilder, Fahrräder und Smartphones – dank mMTC verbessert 5G die gleichzeitige Vernetzung einer großen Zahl von Geräten und Komponenten mit Mobilfunk, und das mit garantierter Qualität und Verfügbarkeit.
Besseres Entertainment: Ob Mehrkanalsound beim Musikhören oder Live-Videostreaming in 4K-Qualität – 5G ist die Grundlage für immersive Entertainment-Erlebnisse im Auto. Ruckelfreie Videokonferenzen zum mobilen Arbeiten während der Fahrt profitieren ebenso von 5G wie Extended-Reality-Gaming oder virtuelle City-Touren per Virtual Reality-Brille – wenn die Passagiere komplett in virtuelle Welten eintauchen, die synchron auf die Bewegungen des Autos reagieren. Das 5G-Feature eMBBgarantiert für diese bandbreitenintensiven Anwendungen die nötigen hohen Datenraten.
In welchen Situationen können 5G und C-V2X helfen?
Lokale Gefahreninformation: Viele Dienste nutzen bereits jetzt Mobilfunk für die Datenkommunikation. 5G wird den Audi Dienst „Lokale Gefahreninformation“ nochmals verbessern. 5G wird dank seiner Latenz- und Bandbreitenvorteile die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Cloud beschleunigen und Warnungen noch frühzeitiger und präziser versenden können. Mit dem Service, der aktuell über 4G läuft, können sich Autos von Audi gegenseitig vor Unfällen, Pannenfahrzeugen, Staus, Straßenglätte oder eingeschränkter Sicht warnen. Seit 2019 kann der Dienst bereits auf Schwarmintelligenz zurückgreifen. 2021 liefern in Europa mehr als 1,7 Millionen Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern aktuelle Daten, die in der Cloud aufbereitet und Audi Fahrer_innen im Cockpit oder dem optionalen Head-up-Display angezeigt werden. Ein neuartiges Verfahren zur Schätzung des Reibwerts anhand des Radschlupfs kann kleinste Veränderungen der Fahrbahnhaftung erkennen, die Daten zur Verarbeitung in die Cloud hochladen und nachfolgende Fahrer_innen zum Beispiel vor Straßenglätte warnen.
Pannenwarnung und Notbremsung: Bleibt ein Fahrzeug aufgrund einer Panne auf der Fahrbahn liegen, sendet das System per C-V2X-Funk unmittelbar eine Warnung an alle Verkehrsteilnehmer_innen in Reichweite. Liegt die Gefahrensituation hinter einer Kurve oder Kuppe, kann eine direkte Kommunikation zwischen Fahrzeugen unter Umständen nicht ausreichend sein. Via 5G-Mobilfunknetz erreicht das Warnsignal dann über den nächsten Mobilfunkmast als Relaisstation auch Fahrzeuge außerhalb der direkten Reichweite. Das ermöglicht frühere Reaktionen und erhöht damit die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer_innen signifikant. Bei einer Notbremsung geht ebenfalls automatisch über C-V2X eine zielgerichtete Warnung an alle Hinterherfahrenden – auch wenn das bremsende Fahrzeug nicht direkt zu sehen ist. In China ermöglicht das System zudem eine Warnung vor nahenden Sondereinsatzfahrzeugen.
Ampelinformation: Die Vernetzung mit Ampelsystemen sorgt für ein effizienteres und entspannteres Fahren in der Stadt. Der Dienst „Green Light Optimized Speed Advisory“ (GLOSA) errechnet die optimale Geschwindigkeit für eine „grüne Welle“ und zeigt diese an. GLOSA kann zum Beispiel vorschlagen, die Geschwindigkeit etwa 250 Meter vor der Ampel schrittweise zu drosseln, um pünktlich bei Grün an der Kreuzung anzukommen. Das reduziert unökonomischen Stop-and-go-Verkehr. Lässt sich ein Stopp an einer roten Ampel nicht vermeiden, zählt ein Countdown die Sekunden bis zur nächsten Grünphase. Dank dieser „Time-to-Green“-Funktion können Fahrer_innen entspannt ausrollen und Energie sparen, aber auch entspannter an der roten Ampel auf die Grünphase warten.
Welche Anwendungen sind zukünftig mit C-V2X und 5G möglich?
Kooperatives Fahren: Das kooperative Fahren soll zukünftig Unfälle und Staus vermeiden und das Autofahren insgesamt sicherer machen. 5G und C-V2X ermöglichen hier die direkte, intelligent abgestimmte und reaktionsschnelle Kommunikation zwischen Fahrzeugen. Die Vernetzung soll helfen, kritische Situationen wie Abbiegen, Überholen auf Landstraßen oder Einfädeln von Beschleunigungsspuren zu entschärfen. Auch für das Platooning, also das effiziente Fahren in Kolonne, bieten C-V2X und 5G die nötige niedrige Latenz und Zuverlässigkeit. Fahren an der Ampel alle Fahrzeuge gleichzeitig los, dann kommen auch mehr Autos bei Grün über die Kreuzung.
Autonomes Fahren: Die Kommunikation eines Fahrzeugs mit seiner Umgebung nahezu in Echtzeit ist Voraussetzung für die verschiedenen Stufen vom hochautomatisierten bis zum autonomen Fahren. Nur mit 5G und C-V2X lassen sich diese Ziele erreichen, vor allem wenn sich das Fahrzeug auf der Autobahn oder im dichten Stadtverkehr bewegt und wenn Gefahrensituationen nicht direkt einsehbar sind. Zudem bietet 5G sowohl die nötige Verfügbarkeit als auch garantierte Quality-of-Service (QoS) für autonomes Fahren. Die hohen Datenraten von 5G sind unter anderem nötig, um hochgenaue Navigationskarten ins Auto übermitteln zu können.
Mit welchen Projekten unterstützt Audi die 5G-Forschung?
Audi stellt mit Christoph Voigt, Leiter Entwicklung Connectivity, Mobile Kommunikation und Car2X-Technologien, den Chairman der 5GAA (siehe unten) und beteiligt sich aktiv an gemeinsamen Forschungsprojekten. Bei einem Showcase in Turin 2019 haben Audi, Ericsson, Pirelli und Qualcomm 5G, C-V2X, Augmented Reality und Eye-Tracking-Technologie kombiniert. So konnte etwa ein Fahrzeug, dessen intelligente Reifen Aquaplaning registrieren, seine Sensordaten via 5G in Echtzeit in die Cloud senden. Ein nachfolgendes, ebenfalls vernetztes Fahrzeug reicherte die Bilder seiner Front-Kamera mit den Daten aus der Cloud an und markierte per Augmented Reality den gefährlichen Bereich der Straße auf dem Display.
In einem weiteren Szenario wurde die Direktkommunikation zwischen Fußgänger_in und Auto demonstriert – mit dem Ziel, beide Verkehrsteilnehmer_innen frühzeitig zu warnen, wenn sie sich beispielsweise nicht sehen können und das Risiko einer Kollision besteht.
Im Rahmen des ConVex-Projekts testete Audi gemeinsam mit Motorradhersteller Ducati die C‑V2X-Technologie in drei für Motorräder ebenso typischen wie unfallträchtigen Situationen: Einfahren in eine Kreuzung, Linksabbiegen sowie plötzliches Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs. Das Motorrad übermittelt selbstständig seine Position, Geschwindigkeit und Richtung an andere Verkehrsteilnehmer_innen. Muss beispielsweise ein vorausfahrendes Motorrad bremsen, erhalten nachfolgende Autos sofort ein Warnsymbol im Cockpit angezeigt. Bei einem entgegenkommenden Motorrad ab einer bestimmten Geschwindigkeit warnt das System bei geplantem Linksabbiegen vor möglichen Kollisionen. Zukünftig soll das fahrzeugklassenübergreifende System auch auf Fahrräder und Smartphones ausgeweitet werden.
Auf der CES 2019 zeigte Audi in einem markenübergreifenden Showcase gemeinsam mit Ducati, Ford und Qualcomm, wie sich mit C-V2X die Situation des in den USA weit verbreiteten 4-Way Stops auflösen lässt – eine Kreuzung gleichberechtigter Straßen, an der alle ankommenden Fahrzeuge anhalten müssen. Wer hier als Erster an der Kreuzung ankommt, darf auch zuerst losfahren. Kommen zwei oder drei Fahrzeuge zur gleichen Zeit an, müssen sie sich zur Einfahrt in die Kreuzung verständigen. Bei dieser komplizierten Konstellation hilft C-V2X: Die Fahrzeuge machen die Situation selbstständig unter sich aus. Sie berechnen anhand der Bewegungsdaten aller Beteiligten die vorgegebene Reihenfolge und bestätigen die Berechnungen gegenseitig. Die Fahrer_innen erhalten anschließend Infos auf ihren Cockpit-Displays, wann sie die Kreuzung passieren dürfen.
In den USA setzte Audi in einem Pilotprojekt C-V2X ein, um Fahrer_innen vor Baustellen und Personen auf der Fahrbahn zu warnen. Das Cockpit-Display zeigt prädiktiv Informationen der mit C-V2X ausgerüsteten Baustellenschilder an, also sowohl die aktuelle Geschwindigkeitsbeschränkung als auch eine Grafik, welche Spur gesperrt ist. Zudem werden Fahrer_innen vor Baustellenpersonal auf der Fahrbahn gewarnt, welches eine C-V2X-Weste trägt.
Derzeit untersucht Audi mit privaten und öffentlichen Partnern in den USA Risikosituationen für die besonders gefährdete Gruppe der Schulkinder. So sollen Fahrzeuge, die in eine verkehrsberuhigte Zone vor einer Schule einfahren, automatisch per C-V2X eine Warnmeldung im Cockpit erhalten. Außerdem sollen Fahrzeuge per Anzeige im Cockpit gewarnt werden, sobald ein Schulbus an einer Haltestelle hält, um Kinder aussteigen zu lassen.
Diese Beispiele zeigen, welches Potenzial in der Fahrzeugvernetzung mit 5G und C-V2X steckt: Sie erhöhen das Bewusstsein bei Fahrer_innen für Gefahrensituationen und machen das Fahren so deutlich sicherer.
Wie setzt sich die 5GAA zusammen?
Die 5G Automotive Association (5GAA) ist eine globale, branchenübergreifende Organisation von Unternehmen aus der Automobil-, Technologie- und Telekommunikationsindustrie, die gemeinsam an der Entwicklung von Lösungen für zukünftige Mobilitäts- und Transportdienste arbeiten. Gegründet im September 2016 von acht Unternehmen, darunter die AUDI AG, sind mittlerweile mehr als 130 Automobilhersteller, Zulieferer und Mobilfunkbetreiber sowie Anbieter von Chipsätzen, Kommunikationssystemen und Telekominfrastruktur in der 5GAA zusammengeschlossen.