Teamwork der Standorte für den Audi Q6 e-tron
Die Audi Q6 e-tron Baureihe entsteht in standortübergreifender Zusammenarbeit. Mit dem elektrisch angetriebenen SUV fertigen die vier Ringe erstmals ein vollelektrisches Audi Modell am Stammsitz in Ingolstadt. Die E-Aggregate für das Premierenmodell auf der Premium Platform Electric (PPE) baut Audi im ungarischen Győr. Über die Zusammenarbeit der beiden Standorte, die Stimmung unter den Mitarbeitenden im Zuge der Transformation und die Zukunftsperspektiven von Ingolstadt und Győr sprechen Siegfried Schmidtner, Werkleiter in Ingolstadt, und Alfons Dintner, Vorsitzender des Vorstands der Audi Hungaria.
Herr Schmidtner, wie steht die Belegschaft in Ingolstadt dem bevorstehenden Wandel zur E-Mobilität gegenüber?
Siegfried Schmidtner: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Schlüssel für den Wandel und ich merke tagtäglich, dass die Belegschaft diesem sehr positiv und motiviert gegenübersteht. Es herrscht eine spürbare Aufbruchstimmung. Wir haben uns intensiv auf die Transformation zur E-Mobilität vorbereitet: Es kann also losgehen. Die E-Mobilität ist für Ingolstadt eine Riesenchance. Wir werden der Vorreiter für die Premium Platform Electric und die neue Elektronikarchitektur E3 sein. Wir sind stolz darauf, die Transformation mitzugestalten.
Vor welchen Herausforderungen stehen Győr und Ingolstadt angesichts des bevorstehenden Wandels?
Alfons Dintner: Győr produziert seit 30 Jahren. Der Standort hat schon zahlreiche Modellanläufe erfolgreich gemeistert und ist deshalb auf Transformation, Umstellung und Zeitgeist eingestellt. Die Menschen, die hier arbeiten, sind schon lange im Unternehmen und deshalb sehr erfahren. Zudem baut Audi Hungaria nicht nur Motoren, sondern auch Fahrzeuge und hat eine eigene technische Entwicklung, einen Werkzeugbau und bietet dem gesamten Volkswagen Konzern Dienstleistungen an. Wir haben deshalb eine einzigartige Verantwortung innerhalb des Konzerns, weil es sonst keinen Standort gibt, der ein so breites Leistungsspektrum aufzeigen kann. Für uns ist der Wandel deshalb nichts Neues. Wir entwickeln, bauen, prüfen und betreuen elektrische E-Antriebe bereits seit 2018. Unser Beitrag zur PPE, sprich die E-Antriebe in Perfektion für Ingolstadt und unsere weiteren Konzernkunden herzustellen, bedeutet für uns eine große Verantwortung und ist deshalb auch eine sehr große Herausforderung.
Siegfried Schmidtner: Unsere gemeinsame Herausforderung ist ganz klar ein perfektes Zusammenspiel aller Gewerke und beteiligten Standorte. Dass wir das können, beweisen wir schon sehr lange. Dennoch ist ein Neuanlauf immer etwas Spannendes und ich sehe es als Ansporn, dass wir uns gegenseitig auf das nächste Level heben und uns motivieren, immer noch besser zu werden. Das Thema Transformation schweißt uns noch enger zusammen. Beide Standorte haben einen intensiven Weg der Transformation beschritten. In Győr von den Verbrennungsmotoren zu den E-Maschinen und bei uns in Ingolstadt vom Gesamtfahrzeug mit Verbrennern in Richtung der E-Mobilität – mit allem, was dazugehört, wie beispielsweise die neu aufgebaute Batteriemontage.
Wie und wie oft gehen Sie in den Austausch mit den Mitarbeitenden? Welche Wünsche, Sorgen, Hoffnungen gibt Ihnen die Belegschaft mit auf den Weg?
Siegfried Schmidtner: Als gebürtiger Ingolstädter bin ich mit Audi aufgewachsen. Ich nutze jede freie Minute, um vor Ort an der Linie zu sein und mich mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Hinzu kommt, dass ich viele von ihnen auch persönlich kenne. Der Dialog mit den Menschen ist mir sehr wichtig. Man braucht als Werkleiter das Gefühl dafür, welche Stimmung gerade herrscht, welche Sorgen die Belegschaft hat. Natürlich fragen sich die Kolleginnen und Kollegen, wie die Zukunft des Standorts konkret aussehen wird. Wie die Auslastung sein wird. Was den bevorstehenden Anlauf angeht, werden wir die Herausforderung gemeinsam meistern und zeigen, dass wir ein richtig starkes Team sind. Wir sind mit Herzblut und Leidenschaft bei der Sache.
Alfons Dintner: Wenn wir vordenken, beziehen wir unsere Mitarbeitenden mit ein. Wir arbeiten nicht aus dem Elfenbeinturm heraus. Das passiert auch mit den Menschen an der Linie. Natürlich ist eine gewisse Skepsis in der Belegschaft spürbar. Schließlich hat ein E-Motor deutlich weniger Teile als ein Verbrennungsmotor. Außerdem gibt es immer wieder Behauptungen, dass wir für die E-Mobilität weniger Mitarbeitende benötigen. Das sind Stimmungen, die uns nicht unbedingt helfen. Aber über diesen Punkt sind wir inzwischen hinaus, denn die Erfahrung zeigt, dass sich die Fertigungsumfänge nicht reduzieren, sondern oft verlagern. Beispielsweise benötigen unsere Performance-Modelle nicht nur einen E-Motor, sondern im Durchschnitt mehr als zwei Motoren für Hinterachse und Vorderachse. Schließlich bauen wir seit 2018 erfolgreich E-Maschinen. Natürlich ist Unsicherheit vor Veränderung da, denn die Menschen werden sich manchmal auch an einem anderen Arbeitsplatz bei Audi Hungaria wiederfinden. Aber bei uns sind auch sonst immer schon Mitarbeitende von der Motorenfertigung in den Fahrzeugbau gewechselt und umgekehrt. Unser ganzes Team ist da sehr flexibel. Deswegen ist die Transformation für uns nicht zwingend mit Ängsten verbunden. Es ist ein Prozess, den wir gut stemmen können.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen Standort konkret?
Siegfried Schmidtner: Für mich sind es zwei Ebenen der Zusammenarbeit. Es gibt den strategischen Austausch der Werkleiter zum Beispiel darüber, was wir voneinander lernen oder an welchen Stellen wir gemeinsam Projekte initiieren können. Daneben gibt es den fachlichen Austausch, also Arbeitskreise, in denen wir gemeinsam fachliche und technische Themen bearbeiten. Győr und Ingolstadt verbindet eine langjährige Tradition mit einer sehr intensiven Zusammenarbeit seit mittlerweile 30 Jahren. Ich selbst war zwei Jahre in Győr. Man kennt sich, man vertraut sich. Wir haben eine sehr gute Basis der Zusammenarbeit und entwickeln diese permanent weiter. Und das ist sehr wichtig, um die komplett neue Fahrzeugplattform mit unserer Q6 e-tron Baureihe ins Ziel zu fahren. E-Antrieb und Leistungselektronik sind substanziell wichtige Bestandteile dieses Fahrzeugprojekts.
Alfons Dintner: Der Austausch mit Ingolstadt – beispielsweise beim Thema Motoren – findet intensiv mit der Technischen Entwicklung, der Qualitätssicherung und dem Feldanlaufteam statt. Auch in unserem Analyse- und Vorseriencenter erhalten wir aus Ingolstadt immer wieder teilausgestattete Karosserien, die wir bei uns bearbeiten. Der Austausch funktioniert also wunderbar. Wir haben schon jetzt 44 Mitarbeitende angefragt, die für ein Jahr die Anlaufunterstützung in Ingolstadt begleiten wollen. Es ist gelebte Praxis, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Dafür ist in unserem Produktionsnetzwerk jeder offen.
Herr Schmidtner, welche Zeichen sendet aus Ihrer Sicht der Stellenaufbau in Ingolstadt?
Siegfried Schmidtner: Wir haben lange nicht mehr so viele – nämlich 500 neue Mitarbeitende – eingestellt. Und das allein im Fertigungsbereich. Das ist außerordentlich positiv für die Stadt Ingolstadt und für die gesamte Region. Für mich ist das mehr als ein Bekenntnis zum Standort. Es ist Arbeitsplatzsicherung in Zeiten des Umbruchs. Mehr Bekenntnis zum Standort geht nicht – auch für diejenigen, die schon bei Audi arbeiten. Gleichzeitig bietet die innovative E3-Architektur neue Tätigkeitsfelder. Wir benötigen zum Beispiel mehr Elektronikkompetenz. Wir heben uns auf das nächste Level des Fahrzeugbaus mit signifikant anderen Technologien. Wir steigen deutlich stärker in die Themen Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung ein.
Stichwort 360factory, die Zukunftsvision der Audi Produktion: Wie weit sind die Standorte hinsichtlich der Ziele Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Flexibilität und Attraktivität?
Alfons Dintner: Győr ist ein hervorragender Standort. Aber 360factory heißt auch, deutlich produktiver zu fertigen. Hier hat jeder Standort die gleichen Herausforderungen zu bewältigen. Wir sind gut aufgestellt. Wir haben Möglichkeiten im Zuge der Transformation, die Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten einzusetzen. Hinsichtlich der Produktivität, der CO2-Neutralität und der Qualität sind wir schon heute sehr gut unterwegs. Wir sind dieses Jahr zum neunten Mal „Bester Arbeitgeber in Ungarn“. Das unterstreicht, dass wir ein sehr attraktiver Arbeitgeber sind. Bei Audi Hungaria haben wir eine gute Balance gefunden, die Menschen bei uns zu halten und zugleich Talente für uns zu gewinnen.
Siegfried Schmidtner: Ingolstadt als Konzernzentrale wird immer eine Vorreiterrolle einnehmen. Unsere Ansprüche sind hoch. Wir wollen das attraktivste Automobilwerk weltweit sein. Dafür haben wir zehn Strategiefelder abgeleitet, an denen wir ganz konkret arbeiten. Dabei nehmen wir die Menschen mit und geben nicht einfach von oben herab eine Strategie vor. Ich setze viel mehr auf Beteiligung – eine Strategie ist schließlich nur etwas wert, wenn sie zum Leben erweckt wird. Wenn sie umgesetzt wird und wenn sich die Menschen aktiv einbringen. Das Werk ist vorbereitet und wir haben tolle Produkte. Wir scharren alle mit den Hufen und können es nicht mehr erwarten, die Q6 e-tron Baureihe auf die Straße zu bringen. Im Dezember ist die Produktion des neuen Modells angelaufen, jetzt fahren wir die Fertigung sukzessive hoch.
Kurzbiografien
Siegfried Schmidtner wurde 1971 in Ingolstadt geboren und stieg nach Abitur und Studium 1998 bei Audi in der Motoren- und Fahrwerksplanung ein. Nach weiteren Stationen übernahm er 2017 als Projektleiter die Verantwortung für die Planung und Steuerung aller Produktionsaktivitäten für Fahrzeug- und Plattformprojekte der Premium Platform Electric sowie des Audi A4, A5 und Q5 einschließlich Plug-in-Hybride im Geschäftsbereich Produktion. Von 2018 an verantwortete er die Zentralfunktionen Produktion der AUDI AG mit den Themenschwerpunkten Strategie Produktion, Digitalisierung und Transformation Geschäftsbereich Produktion. 2019 übernahm er die Leitung des neu geschaffenen Bereichs „Product Engineering“ an der Schnittstelle zwischen Produktion und Technischer Entwicklung. Seit Dezember 2022 ist Schmidtner Werkleiter am Standort Ingolstadt. In dieser Funktion ist er für alle fertigungsrelevanten Bereiche und standortspezifischen Themen zuständig.
Alfons Dintner wurde 1963 in Kösching in Bayern geboren und stieg nach Ausbildung bei Audi und Studium in München 1987 bei Audi in Ingolstadt ein. 1998 übernahm Dintner die Leitung der Lackiererei Audi TT und Individuallackierung. 2001 wurde er gesamtverantwortlicher Leiter der Lackiererei im Werk Ingolstadt. Neben seiner Tätigkeit für Audi übernahm er in dieser Zeit diverse Planungs-, Beratungs- und Leitungsaufgaben innerhalb des Volkswagen Konzerns, so bei SEAT, Volkswagen South Africa, Bentley, Lamborghini und FAW-Volkswagen. Als Vorstand Produktion und Logistik folgte Dintner 2011 dem Ruf von Volkswagen de México und war auch verantwortlich für den Aufbau und Anlauf des Volkswagen Aggregatestandorts in Silao. Als CEO von Audi México war er anschließend gesamtverantwortlich für den Aufbau und den Anlauf des Audi Standorts im mexikanischen San Jose Chiapa. Seit Oktober 2019 ist Alfons Dintner Vorsitzender des Vorstands der Audi Hungaria.