Rolf Michl: „Spannende Herausforderung“
- Audi-Sportchef in Doppelrolle auch Geschäftsführer
- Ehrgeizige Ziele mit motivierter Mannschaft für Rallye Dakar
- Wüsten-Rallyesport verlangt erstklassige Koordination
Seit 1. September verantwortet Rolf Michl den Motorsport bei Audi und ist Geschäftsführer der Audi Sport GmbH. Der 44 Jahre alte Manager über die Rallye Dakar, die Ergänzung von rechter und linker Gehirnhälfte, die Emotionen, die der Motorsport bei ihm weckt, und seine Erwartungen und Ziele für die Wüstenrallye.
Herr Michl, Sie waren 2015 Projektleiter im Audi Sport TT Cup, anschließend Director Sales & Marketing der Audi Sport GmbH. Als Managing Director der Audi Sport GmbH sind Sie in den Motorsport zurückgekehrt. Haben Sie die Rennsport-Welt zwischenzeitlich vermisst?
Ich habe zuvor auch meine Leitungsfunktion im globalen Sales und Marketing sehr gern ausgeübt und dort mit dem Team drei Absatzrekorde in Folge erreichen können. Aber die Rückkehr zur Rennstrecke und zu den Rallyepisten hat eine ganz besondere Faszination. Operativ an der Strecke zu sein, den Spirit im Motorsport zu erleben, egal ob auf der Rundstrecke oder im Sand, ist und bleibt einzigartig. Das habe ich definitiv vermisst.
Wie bewerten Sie die Projekte, die Sie bei der Audi Sport GmbH vorgefunden haben?
Die Rallye Dakar und der Kundensport bilden eine spannende Projektlandschaft. Es gibt im Motorsport einige weltweit erlesene, große Veranstaltungen, und dazu zählt auf jeden Fall die Dakar. Es hat mich sehr fasziniert zu sehen, wie Audi mit einem elektrischen Antrieb in einer so schwierigen Disziplin antritt und auf Anhieb erfolgreich ist. Aber auch der menschliche Aspekt, der Spirit und die Leidenschaft, sind deutlich zu spüren. Ein Carlos Sainz, den ich schon in der Rallye-Weltmeisterschaft bewundert habe und mit dem wir jetzt arbeiten, ein Stéphane Peterhansel, der auch nach 14 Dakar-Siegen locker und bescheiden geblieben ist, ein Erfolgsgarant wie Mattias Ekström, zu dem ich seit Jahren eine gute Verbindung habe – einfach tolle Fahrer! Und mit Lucas Cruz, Edouard Boulanger und Emil Bergkvist haben wir genauso charakterstarke und erstklassige Beifahrer. Dasselbe gilt für Audi Sport customer racing: Die Menschen in unserem Team leben für ihre Profession. Unser Kundensport-Fahrerkader zeichnet sich durch erfahrene Namen aus, aber auch durch ehrgeizige Nachwuchsfahrer. Dazu kommt, dass unsere Kunden ihrerseits oft erfolgreiche und anspruchsvolle Unternehmer sind. Durch die Kundensportprogramme machen wir Audi erlebbar und in weiteren Bereichen sichtbar, und zwar im weltweiten Maßstab. Für mich war es eine schöne Herausforderung, in all diesen Bereichen operativ schnell auf Ballhöhe zu kommen und es auch strategisch zu steuern.
Wie gelingt Ihnen dabei der Spagat zwischen Geschäftsführer und Sportchef?
Das ist manchmal tatsächlich nicht ganz einfach. In der Geschäftsführung der Audi Sport GmbH, in der ich zusammen mit Dr. Sebastian Grams eine Firma von 1.500 Menschen führe, liegt die Finanzverantwortung bei mir. Wenn dann der Motorsportchef mit dem Finanzchef in mir spricht, ist das meist eine intensive Diskussion … Sagen wir es einmal so: Die rechte Hirnhälfte, das Emotionale, gehört eher dem Motorsport. Benötigt wird aber auch die Ratio der anderen Hirnhälfte, also die der Finanzexpertise. Es ist überaus spannend, Motorsport unternehmerisch zu führen mit klar messbaren Schlüsselkennzahlen. Trotzdem meine ich, die Erfahrung zu haben für ein Verständnis der Positionen aller Protagonisten – von Fahrern und Teams bis hin zu Investoren wie unseren Partnern oder eben den Teams im Kundensport. Es geht also weniger um ein ‚Das-brauchen-wir-sonst-gewinnen-wir-nicht‘, sondern darum, was für Audi gesamthaft dabei herauskommt. Die Vermarktung, die Story, die wir da erzählen, bekommt durch Audi eine sehr große Fläche. Ich sehe die Spannung zwischen beiden Positionen in der Ausgangsfrage also eher sportlich produktiv denn negativ.
Sie waren in Ihrer neuen Funktion im Oktober bei der Rallye Marokko. Wie haben Sie die Härte des Wüstenrallyesports erlebt?
Beeindruckend fand ich den unglaublichen Zusammenhalt unter widrigsten Bedingungen. Auch im stundenlangen Sandsturm hat jeder jedem geholfen, und niemand ist sich zu schade, mit anzupacken. Sowohl die Mitarbeitenden von Q Motorsport als auch unsere eigene Mannschaft sind extrem ambitioniert, fokussiert und doch zugleich immer partnerschaftlich. Alle erkennen ihre Verantwortung und nehmen sie wahr. Bei den Gesetzmäßigkeiten in diesem Sport sind wir froh, einen so erfahrenen Partner wie Sven Quandt im Team zu haben. Er bringt als Teamchef von Q Motorsport Jahrzehnte Rallye-Kenntnis ein und ist damit ein wichtiger Orientierungspunkt und Erfahrungsträger. Er weiß bei der Rennstrategie, wie wir die Stärken unseres technischen Konzepts und unserer Fahrer optimal einsetzen können. Alle im Team sind Vollblut-Motorsportler, wie zum Beispiel auch die erfahrenen Car Chiefs. Sie haben einen Draht zu den Fahrern, was mir wichtig ist, denn es geht nicht nur um die Technik. Ganz besonders schätze ich das Engagement unserer Mechaniker_innen in diesem neuen Projekt – sie müssen zusammen mit den Kollegen von Q Motorsport unter härtesten Bedingungen ein hochkomplexes Fahrzeug auf bestem Einsatz-Level halten, das ist speziell bei Schäden wirklich herausfordernd. Aus diesem Grund ist mir der regelmäßige persönliche Austausch mit den Werkstatt-Teams besonders wichtig.
Die Rallye Dakar ist für Audi absolut bedeutend. Welche Ziele geben Sie der Mannschaft für 2023 vor?
Wir treten dort zum zweiten Mal an und haben klare Ziele: Ein Podium wünsche ich mir schon. Wir haben das Auto verbessert, wir haben die besten Fahrer und eine hochmotivierte, kompetente Mannschaft. Wichtig ist für mich: Wenn alles funktioniert, halte ich ein Podium für möglich. Wir müssen optimal vorbereitet sein, hochkonzentriert in jedem Augenblick und der Zusammenhalt im Team wird dabei der entscheidende Schlüssel zum Erfolg sein. Ich bin aber auch realistisch genug, um zu erkennen, dass es speziell in dieser Sportart eine Reihe unvorhersehbarer Faktoren gibt: Schäden, Unfälle, Wetterkapriolen oder die Navigation machen diesen Wettbewerb so spannend und herausfordernd zugleich. Diese Rahmenbedingungen haben wir nicht in der Hand. Aber ich bin guten Mutes, denn nicht nur bei der Vorbereitung der drei RS Q e-tron waren wir gründlich. Wir haben auch Prozesse und Abläufe ein ordentliches Stück nach vorn gebracht.
Wie haben Sie sich persönlich auf Ihre erste Rallye Dakar vorbereitet?
Das betrifft gleich mehrere Bereiche. Was meine Management-Funktion anbelangt, ist der Offroad-Rallyesport natürlich extrem. Auf der Rundstrecke gibt es eine Vielzahl an präzisen technischen Daten und jede Menge Instrumente zur Steuerung. In der Wüste dagegen liefert dir dein Tablet nach 40 bis 50 Minuten erste Anhaltspunkte, was da draußen los ist. Und du hoffst, dass dein Satellitentelefon nicht klingelt. Im Vordergrund steht für mich die Frage, wie ich mich als Manager einbringen kann. Was die Reise selbst anbelangt, so treibe ich grundsätzlich gern Sport, was ein wichtiger Katalysator ist, um in meiner komplexen Themenwelt den Kopf freizubekommen. Sport hilft natürlich auch, um bei der Dakar fit zu sein. Ebenso würde ich mich als gut organisiert und strukturiert betrachten, sonst ist die Komplexität im Alltag nicht zu bewältigen. Tatsächlich habe ich schon eine klare Koffer- und Gepäckordnung für die Rallye! Schlafen kann ich seit jeher gut, und bei der Ernährung bin ich flexibel. So habe ich neulich gelernt, dass man im Zweifel auch mal mit ein paar Gläsern Apfel-Hirsebrei aus dem Regal für Kindernahrung einen ganzen Rallye-Tag ordentlich überstehen kann …