Interview – zwischen künstlerischer Freiheit und Behörden: Lichtentwickler und -designer im Gespräch
Zurück zur ÜbersichtStephan Berlitz (Leiter Entwicklung Licht) und César Muntada (Leiter Lichtdesign) arbeiten bei Entwicklung und Gestaltung von Lichtsystemen eng zusammen. Ihr Austausch zeigt, wie Design und Funktionalität bei Audi Hand in Hand gehen.
Herr Berlitz, Herr Muntada, strenge Funktionalität beim Licht und schönes Design – passt das überhaupt zusammen?
Stephan Berlitz: Bereits in der Vorentwicklung arbeiten wir als Techniker sehr eng mit dem Design zusammen. Die Fragestellungen: Was bringt uns eine neue Technologie funktional, aber auch gestalterisch? Licht bedeutet bei Audi zuallererst Sicherheit für Fahrer und Insassen, also sehen und gesehen werden. Unsere hochfunktionale Technik, denken Sie etwa an die HD Matrix LED-Scheinwerfer mit dem Audi Laser als Zusatz-Fernlicht, lässt sich aber auch gestalterisch reizvoll darstellen.
César Muntada: Lichttechnologie und Lichtdesign sind bei Audi nicht zu trennen. Licht wird zum sichtbaren Ausdruck von Vorsprung durch Technik. Wir verleihen dem Auto damit ein unverwechselbares Gesicht und schärfen den Charakter von Modell und Marke. Ein Audi muss in der Nacht schon auf den ersten Blick erkennbar sein, nah wie fern. Wir nutzen deshalb ein Prinzip, das die Wiedererkennung garantiert, dem Charakter des jeweiligen Fahrzeugs allerdings den nötigen Raum lässt. Konkret schafft Audi ein gesamthaftes Lichterlebnis. Das fängt im Exterieur an und setzt sich im Interieur mit dem Kontur-Ambientelicht fort, bei dem der Kunde auf Wunsch eine individuelle Farbstimmung wählen kann.
Neben technischen Grenzen und dem Budgetrahmen engt die Gesetzgebung mit weltweit teilweise erheblichen Unterschieden die Möglichkeiten der Lichtentwicklung ein. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Stephan Berlitz: Für jede Technologie gibt es in unterschiedlichen Ländern spezifische Anforderungen. Die weltweiten gesetzlichen Regelungen schreiben erforderliche Mindestflächen, Licht- und Blendwerte vor. Die Farbe ist je nach Funktion gesetzlich geregelt. Audi verwendet im Schlusslicht bewusst ein kräftiges Rot mit höherer Wellenlänge, um ein wertiges Erscheinungsbild und eine noch stärkere Differenzierung zum gelben Blinker zu generieren. Generell gilt aber, dass mit zunehmendem Funktions- und Gestaltungsspektrum auch die Zulassung komplexer wird und stets eine landesspezifische Einzelbetrachtung erfolgen muss. Ein schönes Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber guten Ideen folgt, ist das dynamische Blinklicht. Audi hat die Behörden davon überzeugt, dass diese Idee ein Gewinn für die Sicherheit im Straßenverkehr ist. Damit gelang uns eine Weltneuheit. Anschließend haben viele Wettbewerber diese Funktion übernommen.
Technologische Fortschritte bei der Hardware, aber auch die Digitalisierung heben das Thema Licht auf eine neue Stufe und schaffen faszinierende Möglichkeiten. Was verändert sich dadurch für Sie?
Stephan Berlitz: Die Bedeutung der Lichttechnik befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Durch die konsequente Digitalisierung erweitert sich die Perspektive von der fahrerzentrierten Sicherheit zur umfassenden Außenkommunikation und Personalisierung.Die Nutzung des Lichts verändert sich: Es wird zum Kommunikationsmittel und erhält damit eine soziale und emotionale Komponente. Das Licht wird verstärkt die Intentionen von Fahrer und Fahrzeug darstellen können. Schon heute verfügen wir über eine intelligente, hochadaptive Lichtsteuerung. Projektionen wie das Markierungslicht sind ein Beispiel für die neue Außenkommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern. Und auch die digitale OLED zeigt, wie wir Car-to-X-Kommunikation mittels Licht realisieren können – ein Gedanke, der mit dem automatisierten Fahren noch an Bedeutung gewinnen kann.
Licht als Kommunikationssprache: Wie kann Verständigung auf der Straße ganz ohne Worte funktionieren?
César Muntada: Mit seinen Augen kann der Mensch Informationen besonders schnell erfassen. Deshalb nutzen wir bei unseren Modellen das intelligente Zusammenspiel zwischen Licht und Umgebung. Das Ziel ist eine einfache und direkte Kommunikation, die kulturübergreifend und weltweit ohne Wörter verständlich ist. Die Digitalisierung wird wesentlich dazu beitragen, dass wir Licht in Bewegung setzen können und diese Kommunikation noch verständlicher machen. Man denke zum Beispiel an den wischenden Blinker, der mit seiner Bewegung an das Winken einer Hand erinnert. Licht wird damit zu einer universellen Sprache im Straßenverkehr – bei Tag und auch bei Nacht.
Welche Zukunftsperspektiven dürfen Sie uns heute schon verraten?
Stephan Berlitz: In den nächsten zehn Jahren wird LED weiterhin die bestimmende Lichttechnik sein. Zusätzlich gibt es noch zwei weitere Lichttechnologien. Auf der einen Seite steht die Laserlichtquelle, also die Weiterentwicklung in Richtung Hochleistung. Auf der anderen Seite ist es die OLED mit ihrer flächenhaften, homogenen Heckbeleuchtung, die uns einen großen Spielraum verschafft. Wir werden die digitale OLED weiterentwickeln und um neue Funktionen ergänzen. Darüber hinaus arbeiten wir bereits an der nächsten Generation, der flexiblen digitalen OLED.
César Muntada: Die flexiblen digitalen OLEDs bieten uns Designern neue Freiheiten, weil sie biegbar sind. Mit dieser Technik können wir die Heckleuchten noch besser in die Fahrzeugkontur integrieren und Dreidimensionalität erzeugen. Eine Kombination von einfachen Symbolen und dynamischen Bewegungen ist die Zukunftsperspektive der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Umwelt. Darüber hinaus wollen wir dem Kunden die Möglichkeit bieten, das Lichtdesign nach seinem persönlichen Geschmack zu gestalten – in der Zukunft noch mehr als heute.