Finanzvorstand Jürgen Rittersberger im Interview:
„Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsvorteil“
Unternehmen werden zunehmend an den ESG-Kriterien für ökologische Nachhaltigkeit (Environment), soziale Verantwortung (Social Responsibility) und gute Unternehmensführung (Governance) gemessen. Finanzvorstand Jürgen Rittersberger verantwortet bei der AUDI AG auch die ESG-Strategie. Im Interview erläutert er, warum Audi ESG-Kriterien nicht nur für die Bewertung auf dem Kapitalmarkt, sondern auch aus Überzeugung implementiert, wie das Unternehmen Transparenz herstellt und warum sich wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltiges Handeln gegenseitig bedingen.
Herr Rittersberger, warum sind Nachhaltigkeit und ESG für Audi von so großer Bedeutung?
Rittersberger: Nachhaltigkeit ist eine Chance für Audi, davon bin ich überzeugt. Wenn wir sie konsequent umsetzen, ermöglicht uns dies Wettbewerbsvorteile, es eröffnet uns neue Geschäftspotenziale und steigert unseren Unternehmenswert. Nur mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell sind wir zukunftsfähig. Insofern ist auch ESG kein „nice to have“, vielmehr sichern wir damit unsere „license to thrive“ – also unsere Berechtigung, uns im Einklang mit unserer Umwelt zu entwickeln und zu wachsen. Am Kapitalmarkt bewerten die Analyst_innen unsere Zukunftsfähigkeit verstärkt anhand der Frage, wie wir uns im Umweltschutz sowie in Fragen sozialer Verantwortung und transparenter Unternehmensführung verhalten. Aber nicht nur der Kapitalmarkt, auch unsere Partner_innen und Kund_innen erwarten eine klare Haltung von uns. Nachhaltigkeit und die Gewissheit, ein faires Produkt zu erstehen, das wird bei Kaufentscheidungen immer wichtiger. Deshalb verankern wir ESG-Kriterien in allen Unternehmens- und Produktentscheidungen und etablieren ein gesamtheitliches, robustes ESG-Management-System.
Wie schafft Audi die nötige Transparenz für Kund_innen, Partner_innen und Anleger_innen?
Rittersberger: Wir machen unsere ESG-Performance für den Kapitalmarkt und andere Stakeholder transparent und vergleichbar. Dazu veröffentlichen wir mit dem Audi Report einen kombinierten Bericht – und machen unser Handeln im Rahmen der neuen EU-Taxonomie transparent, die ja ähnliche Ziele verfolgt. Das machen wir freiwillig. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, unsere Umsätze, Betriebs- und Investitionsausgaben nach EU-Taxonomie auszuweisen und uns in der Branche vergleichbar zu machen. Und mehr noch: Zukünftig unterziehen wir uns dem ESG-Rating einer unabhängigen Ratingagentur. Transparenz also in jeder Hinsicht.
Wo steht Audi in Nachhaltigkeitsfragen aktuell?
Rittersberger: Das gerade abgeschlossene Geschäftsjahr zeigt: Wir sind mit der Transformation unseres gesamten Geschäftsmodells auf einem sehr guten Weg. Mit unserer Elektrifizierungsstrategie haben wir wachsenden Erfolg: Bei den vollelektrischen Modellen konnten wir die Auslieferungen 2021 um 57,5 Prozent steigern. Und 10,7 Prozent unserer produzierten Fahrzeuge waren Elektroautos oder Hybride. Ein anderes starkes Zeichen war die Übererfüllung des CO2-Flottenwerts der Neuzulassungen in Europa, da waren wir um 7 Gramm pro Kilometer besser als gefordert.
Wie geht es nun weiter?
Rittersberger: Unser Bekenntnis zu elektrischer Mobilität ist eindeutig und wir haben einen klaren Fahrplan. In der aktuellen Planungsrunde haben wir bis 2026 für Elektrifizierung und Hybridisierung Investitionen von rund 18 Milliarden Euro eingeplant. Ab 2026 bringt Audi nur noch Modelle mit Elektroantrieb auf den Weltmarkt. Und ab 2025 sollen alle Audi Standorte CO2-neutral produzieren. Für Brüssel, Győr und die Böllinger Höfe gilt das schon jetzt. Wir haben uns das Ziel gesteckt, die fahrzeugspezifischen CO2-Emissionen bis 2030 schrittweise um 40 Prozent zu reduzieren – im Vergleich zum Referenzjahr 2018 und entlang des gesamten Produktlebenszyklus. Und, was mir auch wichtig ist: Wir haben wichtige Schritte eingeleitet, um die CO2-Bilanz auch in der Lieferkette zu verbessern und die Einhaltung von Menschenrechten sicherzustellen.
Letzteres betrifft insbesondere die soziale Dimension der ESG-Kriterien.
Rittersberger: Richtig, und das gehen wir jetzt auch verstärkt an. Wir übernehmen bereits in vielerlei Hinsicht gesellschaftliche Verantwortung. Die Arbeitsbedingungen etwa sind bei Audi sehr gut. Wir bekennen uns klar zur Beschäftigungsgarantie 2029 und wir investieren in Aus- und Weiterbildung, gerade hinsichtlich unserer Transformation in Richtung E-Mobilität, die wir gemeinsam mit unseren Beschäftigten anpacken. Rund eine halbe Milliarde Euro investieren wir bis 2025 in die Qualifizierung unserer Kolleg_innen, hinzu kommt ein zusätzliches Transformationsbudget von 100 Millionen Euro. Und mit Blick auf die Diversität sind wir auf einem sehr guten Weg. Vielfalt sehen wir dabei als eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und unseren nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Was haben Sie sich in Fragen der Governance vorgenommen?
Rittersberger: Governance beschreibt die integre und transparente Unternehmensführung, das Einhalten von Gesetzen und Regeln, die Compliance. Das ist die elementare Grundlage für einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Aus der Dieselkrise hat Audi Konsequenzen gezogen und Rahmenbedingungen für eine neue Unternehmenskultur geschaffen. Wir freuen uns sehr, dass wir ab sofort (17. März 2022) wieder Mitglied im UN Global Compact sind. Ich bin davon überzeugt: Wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltiges, integres Unternehmertum sind untrennbar miteinander verbunden. Wir tragen als Unternehmen Verantwortung für unsere Umwelt und die Gesellschaft. Und das leben wir auch in allen Produkten und Prozessen. Nur so schaffen wir es, dass unsere Welt auch in Zukunft noch lebenswert ist.
Kurzbiografie
Jürgen Rittersberger verantwortet im Vorstand der AUDI AG das Ressort Finanzen und Recht. Zu seinen Aufgaben gehört auch die strategische Weiterentwicklung des Themenfelds ESG. Rittersberger arbeitet bereits seit 2002 im Volkswagen-Konzern: Nach verschiedenen Stationen bei Porsche wechselte er 2018 direkt in den Volkswagen-Konzern nach Wolfsburg. Dort übernahm Rittersberger die Leitung des Generalsekretariats und der Konzernstrategie der Volkswagen AG. Im Mai 2020 wurde er zum Generalbevollmächtigten der Volkswagen AG ernannt. Seit April 2021 ist Rittersberger Vorstandsmitglied der AUDI AG.